Freitag, April 18, 2025
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Meetingkultur & Co: 7 Wege zu weniger Stress im Team

Um das Stresserleben der Mitarbeitenden zu senken, steht eine Vielzahl von Hebeln zur Verfügung.

Ich möchte eine Auswahl von sieben konkreten Maßnahmen präsentieren, die Sie als Führungskraft innerhalb Ihres Teams anwenden können, auch wenn Sie die Gesamtorganisation dabei nicht unterstützen sollte.

1. Etabliere Sie eine effiziente Meetingkultur mit klaren Regeln und Sanktionen

Egal, in welcher Art von Unternehmen ich tätig sein darf: Stets klagen die dort tätigen Menschen über die ausufernde Zahl an Besprechungen, die stets länger dauern, als angesetzt und die doch selten wirkliche Ergebnisse hervorbringen. Immer weniger Zeit bleibt, um die eigentliche Arbeit zu erledigen. Dabei wäre es doch so einfach. Statt gemeinsam Informationen zu konsumieren, PPT-Slides und XLS-Sheets zu lesen, sollten Meetings ausschließlich der Diskussion und Ideenfindung dienen. Redebeiträge sollten auf maximal zwei Minuten begrenzt werden, Zuspätkommer dürften nicht mehr in den Raum gelassen und es sollte ausnahmslos pünktlich geendet werden, auch wenn die Agenda noch nicht komplett abgearbeitet sein sollte. Vor allem jedoch sollten Sie sich fragen: Hat die Ansetzung eines Meetings vielleicht vielmehr mit der Scheu vor Verantwortung als mit der Begründung einer basis-demokratischen Entscheidungsfindung zu tun?

2. Gehe Sie offen mit Fehlern um 

Wie viel Zeit und Energie werden in Organisation darauf verwendet, Fehler zu verschleiern, Ausreden zu erfinden und Schuldige zu finden. Natürlich: Fehler können erheblichen Schaden anrichten, doch noch weit schlimmere Wirkungen hat es, wenn nicht ehrlich mit ihnen umgegangen wird. Wie soll man sonst daraus lernen? Eine simple und zugleich sehr wirksame Idee kann dazu beitragen, eine offene Fehlerkultur zu etablieren, nämlich eine F*ck-up-Night zu veranstalten, bei der jede/r über seine/ihre größten Fehler spricht. Ebenfalls hilfreich ist es, bei Weeklys oder anderen Teamtreffen als Standard-Checkin-Frage aufzunehmen: „Bei was habe ich letzte Woche ins Klo gegriffen“? Selbstredend sollten Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen und Ihre Versäumnisse/Fehlentscheidungen ehrlich schildern.

3. Integrieren Sie gelassenheitsorientierte Persönlichkeitsmerkmale in die Einstellungs- und Beförderungskriterien

Bei nahezu allen Unternehmen, die ich kenne, hat die unmittelbare Führungskraft das letzte Wort darüber, wer eingestellt und wer befördert wird. In manchen Firmen reden die Personalabteilung sowie der Betriebsrat zwar auch noch mit, aber gegen den Willen des Vorgesetzten wird so gut wie nie entschieden. Was also sollte Sie davon abhalten, im Auswahlprozess neben fachlichen Gesichtspunkten auch auf jene Persönlichkeitsmerkmale zu achten, die einen Hinweis darauf geben, wie gelassen ein Mensch ist. Im Big-5-Modell wäre dies beispielsweise die Dimension „Neurotizismus“. Schließlich ist klar: Ein Teammitglied, dass über ein gerüttelt‘ Maß an innerer Ruhe verfügt, wird die KollegInnen mit seiner/ihrer besonnenen Art auf positive Weise anstecken.

4. Seien Sie realistisch bei der Vorgabe von Zielen und Terminen

Leider höre ich es immer wieder: Die Ziele und Deadlines, die Mitarbeitende von ihren Chefs gesetzt bekommen, sind bei bestem Willen und aller Anstrengung nicht zu erreichen. Dahinter steckt oft die Überlegung, durch überambitionierte Vorgaben auch noch das Letzte aus der Ressource Mensch herauszuholen. Nichts gegen fordernde Aufgaben, aber alles hat seine Grenzen, vor allem dann, wenn sich die Mitarbeitenden dadurch selbst zu sehr unter Druck setzen. 

5. Erkennen Sie den wahren Stellenwert von Problemen/Aufgaben

Dem ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower verdanken wir eine banale, wenngleich unglaublich wertvolle Matrix, die ich in folgender Abbildung modifiziert wiedergebe. Das Übel, das ich bei so vielen Berufstätigen beobachte ist, dass auf Typ C- oder X-Aufgaben mit einer A-Reaktion geantwortet wird. Auf gut Deutsch fehlt die Fähigkeit zu priorisieren. Das heißt, selbst zeitlich unkritische und strategisch irrelevante Themen werden im Feuerwehr-Modus bearbeitet. Es täte gut, wenn wir den wirklichen Stellenwert einer Aufgabe oder eines Problems wieder realistisch erfassen würden. Nicht alles, was laut daherkommt, muss sofort in Angriff genommen werden.

6. Verteilen Sie Aufgaben nach dem Kleiderschrank-Prinzip

Ein Kleiderschrank hat eine beschränkte Kapazität. Wenn er irgendwann mal voll ist und Zuhause aus Platzgründen kein zweiter Schrank aufgestellt werden kann, dann bleibt nur Eines: aussortieren. So weit muss es allerdings nicht kommen, wenn man ein einfaches Prinzip beachtet. Wenn die vorhandene Kapazität ausgeschöpft ist, dann muss für jede neue Bluse, die kommt, eine alte gehen. Im übertragenen Sinn bedeutet das für das Arbeitsleben, dass ständig priorisiert werden sollte. Kommen neue Aufgaben hinzu, muss man sich von einer alten verabschieden oder sie zumindest hintenanstellen.

In der Praxis lässt sich dieser Gedanke recht einfach umsetzen, indem Mitarbeitende ein Ampelsystem pflegen und regelmäßig ihrer Führungskraft mitteilen:

Grün = Auslastung im Normalbereich

Gelb = Auslastung dicht an Belastungsgrenze

Rot = Überlastung

7. Mache Gelassenheits-Trainings für alle Mitarbeitenden verpflichtend

Als Trainer und Coach muss ich es natürlich sagen: Ein hohes Stresserleben (bei Führungskräften und Mitarbeitenden gelichermaßen) ist schlichtweg darauf zurückzuführen, dass Coping-Strategien und konkrete Werkzeuge nicht bekannt sind. Da würden schon das kleine Einmaleins der Selbstorgani-sation, ausgewählte Kommunikationstechniken oder Entspannungsübungen enorm helfen, gelassener zu werden. Diese lassen sich vergleichsweise einfach in Trainings vermitteln.

Nein, das ist kein Schönwetterthema

Wenn ich versuche, GesprächspartnerInnen davon zu überzeugen, dass Gelassenheit weder ein Schönwetterthema, noch etwas für realitätsferne Gutmenschen, sondern eine existenziell wichtige Aufgabe ist, dann ernte ich oft Kritik, im Sinne von: „Das ist ja alles gut und schön, aber für all diese Maßnahmen haben wir kein Geld. Außerdem sind wir kein Wohlfühlhotel, sondern ein Ort, an dem gearbeitet wird“. Das mag sein. Doch eine solche Sichtweise verkennt einen grundlegenden Zusammenhang, der erstmals im Yerkes-Dodson-Gesetz im Jahr 1908 postuliert wurde und der in folgender Abbildung wiedergegeben ist. 

Demnach steigt die Produktivität mit zunehmender Anforderung, aber nur bis zu einem gewissen Punkt („2“ in der Grafik). Aber dann dreht sich der Zusammenhang ins Negative und weitere Steigerungen der Anforderungen lassen die Produktivität zurückgehen („1“ in der Grafik).

Das bedeutet im Klartext, dass der scheinbare Widerspruch von hoher Produktivität und wenig Stress aufgelöst werden kann. Wenn Sie es schaffen, mehr Gelassenheit in Ihr Team/Unternehmen zu bringen, reduzieren Sie das Stresserleben der Mitarbeitenden, wodurch die Leistung wieder steigt. Es geht also darum, von Punkt „1“ wieder auf „2“ zurückzukommen.

So lautet mein Fazit:

Wenn Unternehmen ernsthafte Maßnahmen ergreifen, um die organisationale sowie die individuelle Gelassenheit zu erhöhen, dann senken sie das Stresserleben der Mitarbeitenden, was zu einer höheren Beschäftigtenzufriedenheit und damit -bindung führt, was wiederum die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erhöht sowie die Gewinnung neuer Mitarbeitender erleichtert. Deshalb: Schenken Sie dem Thema „Stress“ mehr Aufmerksamkeit und investieren Sie in Gelassenheit. Sie ist ein Produktivitätsfaktor und kann das Überleben Ihrer Organisation sichern.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Martin-Niels Däfler
Martin-Niels Däflerhttp://www.profdaefler.de
Prof. Dr. Martin-Niels Däfler (Jahrgang 1969) hat für die Boston Consulting Group sowie den Deutschen Sparkassen- und Giroverband gearbeitet. Seit 2010 lehrt als hauptamtlicher Professor an der FOM Hochschule in Frankfurt/Main. Er ist Autor von 22 Büchern sowie über 170 Fachartikeln.
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