Wer heute Unternehmen führt, steht unter Druck. Nicht nur wirtschaftlich. Auch emotional, körperlich, mental. Das Tempo ist hoch, die Erwartungen vielfältig – und das Versprechen, „alles unter einen Hut“ bringen zu können, wirkt zunehmend wie eine Illusion. Kein Wunder, dass viele Führungskräfte früher oder später in eine Überforderungs-Spirale geraten. Doch was, wenn genau hier die Wende möglich ist? Was, wenn echter Erfolg gar nicht durch Dauerpower entsteht, sondern durch ein neues Verständnis von Energie, Präsenz und Selbstführung?
Der Mythos der Dauerleistunng von Führungskräften
In den klassischen Vorstellungen von Leadership (Führungskräften) galt lange Zeit: Wer viel arbeitet, ist erfolgreich. Wer durchzieht, gewinnt. Wer keine Schwäche zeigt, ist Vorbild. Doch diese Narrative bröckeln – nicht nur, weil sie ungesund sind, sondern weil sie schlicht nicht mehr funktionieren. Dauerpower führt nicht zu mehr Erfolg, sondern häufig zu innerer Leere, zu Entfremdung vom eigenen Warum – und langfristig zu Erschöpfung oder Burnout.
Studien zeigen: Eine dauerhaft hohe Stressbelastung beeinträchtigt nicht nur die Entscheidungsfähigkeit und das Denkvermögen, sondern senkt auch die Innovationskraft ganzer Teams. Denn wer sich selbst nicht mehr spürt, kann auch andere kaum noch inspirieren.
Regeneration als Führungsqualität
Moderne Führung beginnt deshalb mit einer bewussten Rückkehr zur eigenen Energie. Und ja – das bedeutet auch: zu lernen, langsamer zu werden. Nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als strategische Entscheidung.
Denn eine Führungskraft die regelmäßig regeneriert, trifft bessere Entscheidungen. Wer Raum für Stille schafft, erkennt Zusammenhänge. Wer mit sich selbst verbunden ist, führt klarer – und nachhaltiger. Das ist kein esoterischer Ansatz, sondern eine messbare Fähigkeit der Selbstregulation, die heute mehr denn je gebraucht wird.
Präsenz statt Perfektion
Führung der neuen Zeit heißt nicht, immer die besten Antworten zu haben. Sondern die richtigen Fragen zu stellen – an sich selbst, an das Team, an das System. Es geht darum, präsent zu sein: mit dem, was ist, und mit dem, was werden will.
Diese Form von Präsenz entsteht nicht im Multitasking oder im Dauerlauf von Meeting zu Meeting, sondern in Momenten des Innehaltens. Dort, wo Intuition Raum bekommt. Wo die Führungskraft wieder Mensch sein darf – mit allen Facetten, Gedanken, Emotionen.
Und genau das ist heute so wichtig: Authentizität. Denn Menschen folgen Menschen, nicht Rollen. Und wer den Mut hat, sich selbst nicht zu verlieren, ist in Wahrheit der stabilste Anker für andere.
Energie führt – nicht Aktion
In meinem Alltag als Mentorin für Führungskräfte und Unternehmer*innen erlebe ich es immer wieder: Die größten Durchbrüche kommen nicht in Momenten höchster Aktivität, sondern in jenen, in denen jemand aufhört, zu funktionieren – und beginnt, zu fühlen.
Erfolg entsteht nicht durch ständige Aktion, sondern durch stimmige Energie. Wenn du ausgerichtet bist, folgt die Handlung von selbst – und sie wirkt. Das ist der feine, aber kraftvolle Unterschied zwischen Getriebensein und wahrer Wirksamkeit.
Neue Vorbilder braucht das Land
Wir stehen an einem Wendepunkt. Alte Führungsmodelle funktionieren nicht mehr – nicht für uns selbst und nicht für die Menschen, mit denen wir arbeiten. Die neue Generation erwartet Sinn, Verbindung und echte Haltung.
Deshalb brauchen wir Führungskräfte, die sich trauen, neue Wege zu gehen. Die sich erlauben, erfolgreich zu sein – ohne sich zu verausgaben. Die zeigen, dass Regeneration, Klarheit und Selbstführung die wichtigsten Ressourcen unserer Zeit sind.
Wenn wir das verstehen, beginnt ein neues Kapitel in der Art, wie wir Unternehmen führen – ganzheitlich, gesund und menschlich.
Foto @ Orhidea Briegel
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