In einer zunehmend dynamischen Arbeitswelt, in der Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitmodelle immer wichtiger werden, stellt sich die Frage: Kann Führung auch in Teilzeit funktionieren? Noch immer herrscht Skepsis, ob eine Führungsrolle in reduziertem Arbeitsumfang tatsächlich machbar ist. Gleichzeitig arbeiten in Deutschland schon heute 13% aller Führungskräfte in Teilzeit – das ist im europäischen Vergleich gerade mal Mittelfeld.
Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem Umbruch – und das ist auch den Anforderungen der Beschäftigten zu erkennen, die Arbeitnehmer:inne heute an Unternehmen stellen. Berufseinsteiger:innen wünschen sich zunehmend flexiblere Arbeitszeitmodelle, wie etwa eine 4-Tage-Woche, und auch junge Eltern möchten beruflich kürzertreten, ohne ihre Karriere zu gefährden. Aber auch abseits der genannten Gruppen geht der Trend zur Teilzeit.
Diesen Wünschen stehen Unternehmen gegenüber, die aufgrund des Fachkräftemangels Schwierigkeiten haben, qualifizierte Mitarbeitende für Fach- und Führungspositionen zu gewinnen. Bereits die Hälfte aller Unternehmen gibt an, zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung von Führungspositionen zu haben. Das liegt auch daran, dass die Übernahme einer Führungsaufgabe nur noch 14% aller Mitarbeitenden angestrebt wird. Führung hat an Attraktivität verloren.
Der demografische Wandel wird die Situation weiter verschärfen: Bis 2035 rechnet die Bundesregierung mit bis zu sieben Millionen fehlenden Fachkräften. In diesem Wettbewerb um Talente können flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeitführung ein entscheidender Vorteil für Unternehmen sein. Und diesen sollte sie jetzt für sich nutzen. Denn Führung in Teilzeit kann zum Win-win für alle Beteiligten werden. Für Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten möchten, liegen die Vorteile auf der Hand. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder eine bessere Life-Balance sind heute für viele Menschen wichtig.
Unternehmen profitieren von einem starken Employer Branding und einer gesteigerten Mitarbeiterbindung, wenn sie flexible Karrierepfade realisieren können. Denn das Angebot signalisiert, dass das Unternehmen in unterschiedlichen Lebensphasen – vom Berufseinstieg über die Familiengründung bis hin zur Pflege von Angehörigen – Unterstützung bietet. Studien belegen, dass Vereinbarkeit bei der Wahl eines Arbeitgebers und für den Verbleib bei einem Arbeitgeber eine große Rolle spielen.
Teilzeitfreundliche Unternehmen zeichnen sich durch mehrere Faktoren aus. Wichtig ist vor allem ein passendes Teilzeitmodell, das eine Anpassung des Aufgabenvolumens an die Arbeitszeit ermöglicht. Dies kann durch Prozessoptimierung oder durch die Delegation von Aufgaben erreicht werden. Darüber hinaus ist eine Unternehmenskultur, die Erfolge stärker an Ergebnissen als an Anwesenheit misst, Rollenvorbilder und ein starker Rückhalt aus dem Management sind ebenso wichtig wie die Anpassung von Weiterbildungen und Netzwerkveranstaltungen an die Kernarbeitszeiten.
Obwohl Teilzeitführung zahlreiche Vorteile bietet, gibt es nach wie vor Vorurteile gegenüber diesem Modell. Oft wird angenommen, Teilzeitführungskräfte seien weniger engagiert und weniger leistungsfähig. Studien zeigen jedoch das Gegenteil: Flexible Arbeitsmodelle steigern die Motivation, Produktivität und Kreativität der Führungskräfte. Doch diese Vorurteile halten sich hartnäckig, insbesondere in Unternehmen, die negative Erfahrungen mit schlecht unterstützten Teilzeitmodellen gemacht haben.
Um das zu vermeiden, sollten Unternehmen strukturelle und kulturelle Rahmenbedingungen schaffen, die den Erfolg von Teilzeitführung ermöglichen. Eine starke Präsenzkultur oder die fehlende strategische Einbettung des Modells können den Erfolg gefährden. Solange Teilzeit als Zugeständnis des Arbeitgebers und notwendiges Übel verstanden wird, wird das Modell nie richtig zünden. Erst wenn Unternehmen erkennen, dass Karrierewege in Teilzeit ein nachhaltiger Erfolgsfaktor sein können, können sie als wirklich teilzeitfreundlich gelten.
In der Praxis haben sich mehrere Teilzeitführungsmodelle bewährt. Bei vollzeitnahen Modellen wird die Arbeitszeitreduktion durch Effizienzvorteile kompensiert, wie etwa optimierte Prozesse oder schlankere Strukturen. Ein weiteres bekanntes Modell ist das Topsharing oder Co-Leadership, bei dem sich zwei Personen eine Führungsrolle teilen. Hierbei werden Führungsaufgaben teilweise gemeinsam und teilweise unabhängig voneinander übernommen, was insbesondere bei geringerem Arbeitsumfang eine attraktive Lösung sein kann. Auch das Vertretermodell, bei dem ein:e Mitarbeitende:r aus dem Team stellvertretend während der Abwesenheit der Führungskraft die Rolle übernimmt, hat sich als erfolgreich erwiesen.
Führung in Teilzeit bietet somit nicht nur eine Antwort auf den Fachkräftemangel, sondern ist auch eine Möglichkeit, die Arbeitswelt insgesamt zukunftsfähig zu gestalten. Mit der richtigen Umsetzung können Unternehmen und Führungskräfte gleichermaßen profitieren und die Weichen für eine nachhaltige und erfolgreiche Zusammenarbeit stellen.
Autorin und ehemalige Teilzeit-Führungskraft Johanna Fink hat dieser Frage jetzt ein Buch gewidmet. In „So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg!“ räumt sie mit Mythen und Vorurteilen rund um das Thema auf, zeigt dessen wirtschaftliche Relevanz auf und versorgt den Lesenden mit erprobten Praxistipps und Erfahrungsberichten erfolgreicher Teilzeitführungskräfte aus den unterschiedlichsten Branchen.
Foto/Quelle: © Annette Hempfling
