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Von der Konkurrenz zur Coopetition – Warum das Neue Wir meine Antwort auf den Fachkräftemangel ist
Die einen bauen ihre Benefits aus, die anderen erhöhen das Gehalt. Doch der Fachkräftemangel bleibt – branchenübergreifend und landesweit. Was also tun, wenn klassische Ansätze nicht mehr greifen? Die Antwort liegt eindeutig nicht im „Mehr vom Gleichen“, sondern in einem radikal neuen Blick: Weg vom Konkurrenzdenken – hin zur Kooperation.
Die Zeit des Gegeneinanders ist vorbei.
Lange galt: Wer Talente will, muss besser sein als der Wettbewerb. Doch dieses Denken greift zu kurz und macht uns blind für das, was wirklich trägt: Ein starkes Miteinander. Die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt sind zu groß, als dass sie ein Unternehmen allein lösen könnte. Was es braucht, ist ein „Neues Wir“. Ein Miteinander, das nicht nur gut klingt, sondern konkret wirkt, und zwar in der Fachkräftesicherung, in der Standortentwicklung und in der Lebensqualität ganzer Regionen.
Wie ich auf diesen Ansatz gestoßen bin
Es gibt Erfahrungen, die verändern, wie wir auf Arbeit blicken. Für mich war das der Aufbau des Nordsee Kollektivs – ein Zusammenschluss von fünf touristischen Betrieben in Sankt Peter-Ording, die sich entschieden haben, nicht länger nebeneinanderher zu arbeiten, sondern gemeinsam. Wir haben gemeinsam rekrutiert, Perspektiven und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung geschaffen, miteinander und voneinander gelernt, Wohnraum organisiert und ein lebendiges Netzwerk auch für das private Miteinander aufgebaut.
Ich erinnere mich noch gut an die ersten Schritte. Je mehr wir gemeinsam gestalteten, desto klarer wurde: Wir können nur gewinnen: an Verbindung, an Strahlkraft, an Zukunft für unsere Mitarbeitenden.
Diese Erfahrung hat mein Verständnis von erfolgreicher Arbeit tief verändert. Und sie hat mir gezeigt: Der größte Engpass unserer Zeit, Menschen zu finden, zu begleiten und zu entwickeln lässt sich nur durch ein neues Denken lösen. Menschen bleiben dort, wo sie Sinn erleben, wo sie sich entwickeln dürfen, wo sie in den Mittelpunkt rücken und mit ihrer Individualität gesehen werden und sie Teil eines größeren Ganzen sind. Coopetition schafft diese Räume.
Mehr als Kooperation
Coopetition ist ein Begriff, der Kooperation und Wettbewerb nicht gegeneinander ausspielt, sondern klug miteinander verbindet. Es bedeutet, dass jeder seine Eigenständigkeit behält und man sich gleichzeitig bewusst entschiedet, wo man gemeinsam stärker ist. Es geht nicht darum, Konkurrenz aufzugeben, sondern sie neu zu verstehen. Als Spielraum, in dem Kooperation ein essenzieller Bestandteil ist, sodass man sich gemeinsam gegenseitig noch besser macht und wachsen kann.
Dieses Denken verändert nicht nur Prozesse, sondern Kulturen. Es schafft neue Perspektiven, in denen Mitarbeitende erleben, dass es um echte Verbindungen geht, um das Hervorbringen gemeinsamer starker Leistungen, indem sich jeder nach seinen Fähigkeiten entwickelt. Es geht nicht nur um das „Ich“, sondern um ein starkes, verlässliches „Wir“.
Das Nordsee Kollektiv als lebendiges Beispiel
Im Nordsee Kollektiv entstand so ein Netzwerk, das nicht nur Sichtbarkeit nach außen schuf, sondern Tiefe nach innen. Mitarbeitende wurden gehört, gesehen und eingeladen, mitzugestalten. Diese Verbindung hält nicht nur Menschen, sondern setzen Potenziale frei, von denen man vorher nicht wusste, dass es sie gibt.
Ich sehe ähnliche Prozesse heute in unterschiedlichen Netzwerken. Sei es bspw. eine Praxisgemeinschaft mit mehreren Standorten und gemischten Teamstrukturen aus Angestellten und Selbstständigen. Auch hier führen sich Begegnen, Wissenstransfer und gemeinsame Austauschformate zu spürbaren Veränderungen in der Zusammenarbeit. Dort, wo Brücken gebaut werden, entsteht echte Zugehörigkeit und aus Zugehörigkeit wächst Verbindung.
Coopetition braucht Mut
Natürlich braucht Coopetition Mut. Es ist viel leichter, im eigenen System zu bleiben, da es vertraut und kontrollierbar ist. Insbesondere der Wunsch nach mehr Kontrolle nimmt intuitiv zu, wenn wir uns unsicher fühlen und die Veränderungen in der Welt laden uns regelrecht dazu ein, engmaschiger zu agieren. Aber genau so kann keine Wirksamkeit entstehen. Wer heute zukunftsfähig sein will, muss bereit sein, sich zu öffnen und zu verbinden. Mit anderen Arbeitgebern, Herstellern, Lieferanten, Kooperationspartnern oder Netzwerken, um eine größere Idee zu entwickeln, wie Arbeit aussehen kann.
Fazit: Das Neue Wir ist mehr als ein Ideal
Denn genau das ist Coopetition: eine Haltung und keine Methode. Es ist ein klares Bekenntnis zur Gemeinsamkeit, die trägt und den Unterschied ausmacht – für Menschen, für Regionen, für Unternehmen.
Der Fachkräftemangel ist ein Symptom. Die Lösung beginnt mit einer Frage: Wollen wir weiter im eigenen Kreis rotieren? Oder sind wir bereit, neue Räume zu öffnen?
Ich bin überzeugt: Das Neue Wir ist kein Ideal. Es ist aber die wahrscheinlich konsequenteste Antwort auf die Frage, wie Arbeit morgen besser gelingen kann.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.