Ein persönlicher Appell an alle Berufstätigen, die ihre Gesundheit nicht erst verlieren sollten, um sie wertzuschätzen
Ständig unterwegs und stets gefordert
Für viele Menschen ist es wichtig, Karriere zu machen, Verantwortung zu übernehmen und Leistung zu erbringen. Wir investieren Energie, Zeit und Leidenschaft in unsere Arbeit. Oft mit großem Erfolg, häufig auch mit echter Freude. Doch was passiert, wenn unser Körper nicht mehr mitmacht? Wenn er Signale sendet, die wir lieber überhören, weil es gerade „nicht passt“?
Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war jahrelang im Außendienst tätig, hatte ein großes Gebiet zu betreuen und war praktisch ständig unterwegs. Woche für Woche bin ich hunderte, manchmal tausend Kilometer mit dem Auto gefahren, von Kundentermin zu Kundentermin, häufig mit Übernachtungstouren quer durch die Region. Das Handy stand selten still, der Kalender war bis zum Anschlag verplant, Büroarbeit bis in den späten Abend und hunderttausend Gedanken im Kopf. Bloß nichts vergessen. In das Wochenende wurde alles gepackt, was in der Woche nicht möglich war. Ich wollte natürlich nichts verpassen: Freizeitprogramm, Freunde treffen, Familie und Sport, Haushalt. Ich war komplett durchgetaktet. Sieben Tage die Woche, ohne echte Pause.
Erste Warnsignale, aber keine Reaktion
Ich habe es geliebt. Mein Job hat mir Spaß gemacht. Ich mochte den direkten Kontakt zu den Kunden, die Freiheit auf der Straße, das eigenverantwortliche Arbeiten und alle 14 Tage am Meer sein zu können. Dass ich irgendwann immer häufiger Kopfschmerzen hatte, den Rücken ständig spürte, immer schlechter ins Auto ein- und aussteigen konnte oder mein Magen-Darm-Trakt rebellierte – ich habe es lange ignoriert. Ich dachte: Das gehört dazu. Das hat doch fast jeder. Selbst die Blitzerfotos, die ich in dieser Zeit bekommen habe, hatten sicherlich damit zu tun, dass ich einfach unkonzentrierter war.
Hinweise von außen habe ich freundlich abgewiegelt. „Tritt mal kürzer“, hieß es. „Mach mal eine Pause.“ Doch ich sah keinen Grund dazu. Ich funktionierte. Außerdem – wer sollte meine Termine übernehmen? Ich wollte niemanden enttäuschen, am allerwenigsten mich selbst.
Der Körper spricht früher als wir denken
Erst im Rückblick wurde mir klar: Diese körperlichen Warnsignale waren keine Nebensächlichkeiten. Sie waren die rote Flagge meines Körpers, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten war. Ich hatte sie viel zu lange ignoriert.
In unserer leistungsgetriebenen Welt verwechseln wir Pausen oft mit Schwäche. Dabei sind sie das genaue Gegenteil: ein Zeichen von Stärke, von kluger Selbstfürsorge. Wer immer nur Vollgas fährt, der verbrennt irgendwann den Motor. Wer dagegen regelmäßig innehält, wer sich erlaubt durchzuatmen, der bleibt langfristig leistungsfähig und gesund.
In der Pause entsteht die Kraft
Denn in der Pause entsteht die Kraft. Das klingt wie ein Kalenderspruch, ist aber wissenschaftlich belegt. Unser Körper und unser Geist brauchen Phasen der Regeneration. Nur so können wir Informationen verarbeiten, Erlebtes einordnen und körperlich wie mental neue Energie schöpfen. Ohne diese Phasen wird der Akku nicht nur leer, er kann auch kaputt gehen.
Unser Körper kann mehrere Wochen mit starken stressigen Situationen gut umgehen. Dauert der Stress jedoch mehrere Monate an, wird daraus chronischer Stress. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder zwischendurch Momente der Ruhe und Erholung zu gönnen.
Heute weiß ich: Es war ein Fehler, mich selbst so lange zu übergehen. Ich habe daraus gelernt. Ich plane heute bewusste Ruhezeiten ein, auch unterwegs. Und ich höre besser auf meinen Körper und nehme Warnsignale ernst. Es ist auch völlig in Ordnung, mal „Nein“ zu sagen – zu Terminen, zu Anfragen, zu mir selbst.
Karriere braucht Balance
Mein Appell richtet sich an alle Berufstätigen, egal ob im Büro, im Außendienst, im Homeoffice, in leitender Funktion oder als Selbständige und Unternehmer: Nehmt euch selbst ernst. Nehmt euren Körper ernst. Achtet auf die kleinen Hinweise, bevor sie zu einem lauten Alarmsignal werden. Und vergesst nicht: Selbstfürsorge ist keine Schwäche, sie ist die Grundlage für ein nachhaltiges, erfülltes Berufsleben.
Wer Karriere machen will, sollte nicht nur auf Leistung setzen, sondern auch auf Balance. Denn echte Stärke zeigt sich nicht nur im Durchhalten, sondern auch im rechtzeitigen Innehalten.
Foto: Christian Manthey lightupwithbeseen
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