Samstag, April 19, 2025
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Verhandeln kann jeder!

Wenn wir über „Verhandeln“ sprechen, haben wir meist das Bild von Anzug – und Kostümträgern an einem Konferenztisch vor Augen. Verhandeln ist aber mehr, fast könnte man sagen „Verhandeln“ ist immer und in allen Lebenslagen – beruflich wie privat. 

Wenn wir nun aber öfter verhandeln als uns bewusst ist, dann sollte die oft gehörte Aussage „Ich kann nicht verhandeln!“ der Vergangenheit angehören. Jeder kann verhandeln, wenn er nur gut vorbereitet ist. Einige Aspekte guter Vorbereitung sollen nachfolgend beleuchtet werden.

Vorbereitung als Matchpoint

Verhandlungen werden nicht ausschließlich am Verhandlungstisch gewonnen, viel entscheidender ist die Vorbereitung hierauf, die durchaus mehr Zeit in Anspruch nehmen kann als die eigentliche Verhandlung. Wer hier das Pareto-Prinzip ansetzt (80 Prozent Vorbereitung, 20 Prozent Verhandlung) liegt zumindest bei wichtigen Verhandlungen sehr gut. Umgekehrt, wer völlig unvorbereitet in eine Verhandlung geht oder von einer Verhandlung überrascht wird (z.B. durch eine spontane Ansprache/ einen spontanen Anruf) wird in aller Regel nicht den Erfolg erzielen, den er mit ausreichender Vorbereitung hätte erreichen können. 

Die eigenen und die fremden Ziele

Vorbereitung bedeutet im Kontext einer Verhandlung, dass man sich zunächst einmal über seine eigenen Ziele bewusstwird: was möchte ich mit dieser Verhandlung erreichen? Geht es um den besten Preis? Vielleicht aber auch um den Vertragsabschluss um jeden Preis, da ich internen Vertriebsdruck habe? Oder möchte ich nur mein Ego stillen und „auf jeden Fall gewinnen?“.

Wenn das Ziel einmal festgelegt ist braucht es noch eine Ober- bzw. einer Untergrenze. Diese rote Line sollte die Leitplanken der Verhandlung darstellen und nur dann über- bzw. unterschritten werden, wenn es hierfür sehr gute Gründe gibt. 

Auf der anderen Seite ist die Position des Verhandlungspartners zu erforschen: Möchte er wirklich den Geschäftsabschluss oder ist man selber nur der „Dummy“, den er braucht, um ein zweites oder drittes Angebot einzuholen und damit den Anforderungen seiner Einkaufsabteilung gerecht zu werden? Ist der Verhandlungspartner selber vielleicht auch in einer Zwangslage und muss in jedem Fall einen Vertragsabschluss präsentieren? 

Denken Sie in Paketen

Viele Verhandler fokussieren sich zu sehr auf einen Punkt in der Verhandlung, zumeist den Preis für eine Ware oder Dienstleistung. Da der gewünschte Preis nicht immer erzielbar ist, sollten Sie schon im Vorfeld der Verhandlung über Pakete nachdenken, die Sie zusammen mit Ihrem Verhandlungspartner schnüren. Kostenlose Lieferung, Garantien, Schulungen, erweiterter Service – hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Gerade in Fällen, in denen Preisbindung besteht oder der Verkäufer wenig Lust hat, den Preis zu reduzieren, sind solche Zusatzleistungen das Schwert, das den Verhandlungsknoten durchschneidet.

Einzelkämpfer versus Team

Jeder Mensch ist einzigartig und hat ein bestimmtes Persönlichkeitsprofil, das sich auch im Verhandlungsstil niederschlägt. Wer vielleicht tendenziell eher schüchtern ist, dafür aber in Bruchteilen einer Sekunde neue Strategien und Alternativen durchleuchten kann, ist ein genau so wichtiges Mitglied der Verhandlungsgruppe wie derjenige, den man eher als Vollblutkämpfer in der Verhandlung erleben würde.

Schauen Sie sich im privaten und beruflichen Umfeld um und überlegen Sie, wen Sie zu einer wichtigen Verhandlung mitnehmen könnten. Wer ergänzt Ihren Charakter? Wer hat auf den Gebieten Stärken, auf denen Sie eher Ihre Schwächen sehen? 

Finden Sie auch heraus, welcher Persönlichkeitstyp Ihnen in der Verhandlung gegenübertritt. Auch hier sollten Sie mit einer guten Aufstellung innerhalb Ihres Verhandlungsteams reagieren.

Bleiben Sie stets Herr der Verhandlung

Nichts ist unangenehmer als der Umstand, bei einer Verhandlung nur noch Juniorpartner oder gar Zaungast zu sein. Versuchen Sie stets, den Gang der Verhandlung zu steuern und damit zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Das beginnt damit, dass Sie – wenn möglich- den Zeitrahmen und den Ort der Verhandlung festlegen.

Versenden Sie vor Beginn der Verhandlung eine Agenda, die die zu besprechenden Punkte der Verhandlung aufführt. So können Sie durch neue Punkte des Verhandlungspartners nicht mehr überrascht werden. Wenn dies nicht gewünscht ist, legen Sie spätestens zu Beginn der Verhandlung einen Zettel mit den Ihnen wichtigen Punkten und Forderungen auf den Tisch.

Eröffnen Sie die Verhandlung mit einem vorab bereitgelegten Statement, in dem Sie Ihre Kernforderungen ausführen und geben Sie danach das Zepter der Verhandlung nicht mehr aus der Hand. „Wer fragt, der führt“ heißt es in der Rhetorik und diese Aussage gilt auch für die Verhandlung. Führen Sie mit Fragen durch die Verhandlung und zum Verhandlungsergebnis. Am Ende fassen Sie in einem Protokoll die wesentlichen Verhandlungsergebnisse zusammen und geben damit dem Protokoll Ihre eigene Note.

Einwandbehandlung

Selbst wenn Sie die beste Argumentation aufgebaut haben, die andere Seite wird sehr wahrscheinlich mit einem „Ja, aber“ kommen. Seien Sie hierauf vorbereitet. Die meisten Gegenargumente fallen nicht vom Himmel, sondern sind mit ein wenig Nachdenken im Vorfeld der Verhandlung zumindest erahnbar, wenn nicht sogar sicher zu erwarten. Versetzen Sie sich daher einmal in die Lage des Verhandlungspartners und überlegen Sie, was er Ihren Argumenten entgegenhalten könnte und, im nächsten Schritt, was Sie diesen Argumenten wiederum entgegenhalten können.

Wer vorbereitet ist, hat gute Karten in jeder Verhandlung. „Ich kann nicht verhandeln“ wird dann höchstens zu einem „Ich habe mich nicht vorbereitet“. Und Übung macht den Meister.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Jörg Kupjetz
Jörg Kupjetzhttps://www.kupjetz.com/
Prof. Dr. Jörg Kupjetz (Professor K.®) ist Professor für Wirtschaftsrecht und zudem als Rechtsanwalt, Autor, Trainer und Speaker tätig.
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