Kostendruck, Fachkräftemangel, strukturelle Defizite: die Hürden am Arbeitsmarkt sind aktuell vielfältig und komplex. Goran Barić, Regional Managing Director und Geschäftsführer der PageGroup Deutschland, gibt in seinem Gastbeitrag wichtige Einblicke rund um Gehalt, zeitgemäße Arbeitszeitgestaltung und Förderung der eigenen Mitarbeitenden.
Fachkräftemangel und gestiegene Kosten halten den deutschen Arbeitsmarkt in Atem. Fachkräfte zu halten, Talente zu finden und das Unternehmen durch wirtschaftliche Herausforderungen zu führen, ist ein Balanceakt. Eine drohende Rezession erschwert Neueinstellungen, dennoch fordern Mitarbeitende aufgrund einer dünnen Personaldecke teilweise mehr Unterstützung. Unternehmen müssen also flexibel und gut informiert sein, um schnell auf wirtschaftliche, soziale und politische Veränderungen reagieren zu können.
Politische Novelle: die europäische Entgelttransparenzrichtlinie
Bis 2026 wird die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in Deutschland umgesetzt. Unternehmen müssen ihre Lohnstrukturen transparenter gestalten und ungleiche Bezahlung beseitigen. Das soll den Gender Pay Gap verringern, der in Europa bei etwa 13 Prozent und in Deutschland bei sogar 18 Prozent liegt.
Künftig müssen Unternehmen ab 150 Mitarbeitenden ihre Lohn- und Beförderungsstrukturen transparenter gestalten und bereits bei Stellenausschreibungen offenlegen, wie die entsprechende Tätigkeit entlohnt wird. Die EU-Richtlinie deckelt den Lohnunterschied bei fünf Prozent bei gleichwertiger Arbeit. Bei ungerechtfertigten Lohnunterschieden drohen empfindliche Strafen. Ein „besseres Verhandlungsgeschick“ als Grundlage für ungerechte Bezahlung gilt künftig nicht mehr als Grund.
Für die Umsetzung der neuen Richtlinie sollten Unternehmen bereits jetzt Kapazitäten für interne Analysen einplanen und die neuen Aufgaben in ihr Tagesgeschäft laufend integrieren. Mit der Verwendung von objektiven Gehaltsübersichten, etwa dem Gehaltsreport von Michael Page und Page Personnel, lassen sich wertvolle Ressourcen einsparen. Mit Gehaltsreports stellen Unternehmen zudem sicher, dass die Daten belastbar sind und sich als Grundlage für die eigenen Gehaltsbänder eignen. Unternehmen haben so die Möglichkeit, frühzeitig auf Lohnentwicklungen im Arbeitsmarkt zu reagieren, um gegenüber Wettbewerbern einen Vorteil in der Bewerberansprache zu generieren.
Mehr Flexibilität und Wohlbefinden: das wollen Mitarbeitende in Zukunft
Sich als Unternehmen künftig noch genauer mit der eigenen Gehaltspolitik auseinander zu setzen, ist nicht nur aus rechtlicher Sicht notwendig: Das Gehalt bleibt das wichtigste Entscheidungskriterium für Bewerber, wie die Ergebnisse der Talent Trends Studie 2024 der PageGroup belegen. Für die Studie wurden fast 50.000 Menschen aus 51 Ländern zum aktuellen Arbeitsmarkt befragt. Im Mittelpunkt standen die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Auch das Thema der Arbeitszeitgestaltung bleibt nach wie vor wichtig für Personalentscheider. Während der Pandemie haben sich zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer an flexible Arbeitszeiten und hybride Arbeitsformen gewöhnt. Diese Vorzüge wollen sie auch nach der Pandemie nicht missen. Zu sehr haben sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die neue Flexibilität gewöhnt. Zwangsvorschriften von Unternehmensseite betrachten viele sogar als Kündigungsgrund. Hier gilt es für Unternehmen also aufzupassen, da bei falscher Handhabe Diskussionen mit der eigenen Belegschaft drohen und potenzielle Bewerber abschreckt werden könnten.
Wie wichtig das eigene Wohlbefinden für eine Mehrheit der Erwerbstätigen ist, zeigt auch ein anderes Ergebnis der Studie: Zwei Drittel gaben an, eine höhere Position mit mehr Verantwortung abzulehnen, wenn dadurch das persönliche Wohlbefinden beeinträchtigt würde. Um die Arbeitnehmerbindung zu stärken, sollten Unternehmen daher auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen ihrer Mitarbeitenden eingehen. Darüber hinaus zeigt die Talent Trends-Studie, dass viele Unternehmen beim Thema Inklusion Aufholarbeit leisten müssen. Denn nur 13 Prozent der Befragten beschreiben ihr Arbeitsumfeld als inklusiv. Bessere Inklusion am Arbeitsplatz kann dabei gerade denen helfen, die mit Chancenungleichheiten kämpfen.
Mehr Perspektiven durch höhere Chancengleichheit – Fokus auf soziale Mobilität
Wie die aktuelle Social Mobility Studie der PageGroup zeigt, fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt derzeit rund 292.000 Menschen aufgrund mangelnder Chancengleichheit in Bildung und Beruf. Das entspricht einem Verlust von 25 Milliarden Euro an Bruttoinlandsprodukt und schmälert so maßgeblich die deutsche Wirtschaftskraft. Es geht also nicht allein um eine soziale Frage, sondern um reale wirtschaftliche Folgen.
Im Schnitt dauert es fünf Generationen, bis Kinder aus einkommensschwachen Familien das Durchschnittseinkommen in ihrem Land erreichen. Ein Studium als Weg zu einem höheren Bildungsabschluss, wird in Deutschland nur von rund 25 Prozent der Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien aufgenommen. Diese Ungleichheit in den Bildungschancen bedeuten erhebliche Nachteile für das spätere Erwerbsleben. Wenn Wissen, Abschlüsse und Netzwerke fehlen, ist eine erfolgreiche Karriere erheblich erschwert. Daher muss das Thema der Chancengleichheit auch auf Arbeitgeberseite beachtet werden.
Ein breiter Bewerberpool kann die Diversität im Unternehmen steigern. So erhalten Teams diversere Perspektiven, vielfältigere Kompetenzen und unterschiedliche Level an Erfahrungen. Die eigenen Mitarbeitenden zu fördern, stärkt das Unternehmen von innen heraus und fördert gleichzeitig die Arbeitnehmerbindung. Gerade vor dem Hintergrund der angespannten Bewerberlage und der wirtschaftlichen Ausgangslage wird die individuelle Förderung der eigenen Mitarbeitenden zunehmenden wichtiger.
Unternehmen können die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt verbessern, indem sie vorurteilsfreie Jobbeschreibungen und flexible Einstellungsverfahren nutzen, um diverse Bewerber anzusprechen. Spezielle Praktika und Einstiegsprogramme helfen, Einstiegshürden abzubauen, besonders für Personen ohne etablierte Netzwerke. Mentorenprogramme und Mitarbeiternetzwerke fördern die Entwicklung der Mitarbeiter. So entsteht ein Umfeld, in dem alle Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.
Autor: Goran Barić
Goran Barić ist seit 2004 für die PageGroup tätig und seit 2023 Regional Managing Director für Nord- und Zentraleuropa. In dieser Rolle verantwortet er die Marken Michael Page, Page Personnel und Page Executive. Die PageGroup wurde 1976 in Großbritannien gegründet und ist in 37 Ländern vertreten.
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