Dienstag, November 25, 2025
StartCLOSEUPSchreiben oder (mit KI) schreiben lassen?

Schreiben oder (mit KI) schreiben lassen?

Wer heute ein Unternehmen führt, steht unter ständigem Innovations- und Entscheidungsdruck. Führungskräfte müssen Strategien entwickeln, Teams führen und Visionen klar formulieren. Im alltäglichen Wust von Aufgaben vergessen sie oft ein hilfreiches Werkzeug: das Selberschreiben.
Als Trainerin in der Biografiearbeit und Schreibpädagogin sehe ich täglich, wie groß der Unterschied ist zwischen „über etwas nachdenken“ und „etwas aufschreiben“. Schreiben ist ein Prozess, der das Denken formt. Und dieser Prozess ist für Führungskräfte nicht nur hilfreich, sondern unverzichtbar.

Originalität ist nicht delegierbar

Künstliche Intelligenz kann vieles: Texte strukturieren, Informationen zusammenfassen, Alternativen liefern. Doch sie kann nicht die Erfahrung, die Lebensgeschichte, die Werte und die emotionale Tiefe eines Menschen authentisch ausdrücken.
Wenn Menschen KI-Tools nutzen, entsteht häufig ein „glattgebügelter“ Text. Er wirkt professionell, aber unspezifisch, hat keine Ecken, keine Kanten, keine menschliche Ausdruckskraft. Doch glaubwürdige Führung braucht innere Stimmigkeit. Mitarbeitende und Geschäftspartner spüren, ob Worte wirklich so gemeint sind, wie sie auf dem Papier stehen.
Schreiben mit der Hand (oder auch auf der Tastatur) schafft die Möglichkeit, Position zu beziehen. Es konfrontiert die Person mit der Frage: Was denke ich wirklich?
Das ist ein Prozess, den keine KI vollständig ersetzen kann. KI kann unterstützen, aber nicht die individuelle Reflexion übernehmen, die zur Führungspersönlichkeit gehört.

Schreiben entwickelt Persönlichkeit

Wer selbst schreibt, begegnet sich. Wie in einem Spiegel. Wer es ernst nimmt, erhält einen ehrlichen, ungeschönten Blick auf seine Persönlichkeit. Gerade für Führungskräfte, deren Alltag oft aus äußeren Anforderungen besteht, kann das ein Moment der Selbstklärung sein.
Schreiben hilft dabei, Entscheidungen zu reflektieren, persönliche Muster zu erkennen, Prioritäten zu ordnen, unbewusste Bedürfnisse oder Belastungen wahrzunehmen.
Studien zeigen, dass das Schreiben Stress reduzieren, Menschen emotional stabilisieren und sogar die Gesundheit stärken kann. Für Führungskräfte bedeutet das zum Beispiel: Sie können ihre „blinden Flecken“ entdecken, mehr innere Stabilität erreichen, sich einfach besser verstehen.

Empathie entsteht durch Selbstkontakt

Wer sich selbst besser versteht, versteht andere leichter. Führung wird menschlicher, wenn der Führungskraft die eigene Geschichte, die Motive, die wunden Punkte, aber auch die positiven Einflüsse bewusst sind. Schreiben macht diese innere Welt sichtbar.
Wenn Führungskräfte regelmäßig schreiben, entwickeln sie ein differenzierteres Verständnis für die Perspektiven anderer, werden sensibler für Teamdynamiken, kommunizieren klarer und wertschätzender. Gute Führung basiert nicht auf Macht, sondern auf Beziehung. Das Selberschreiben stärkt genau diese Fähigkeit: sich in andere hineinzudenken, ohne sich selbst zu verlieren.

Gedanken greifbar machen

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer kennen das Gefühl, gleichzeitig fünf Projekte, zehn Ideen und unzählige herausfordernde Aufgaben im Kopf zu haben. Schreiben kann hier wie ein innerer Frühjahrsputz wirken.
Auf Papier zeigt sich schnell, was wirklich wichtig ist und welche Idee trägt, aber auch wo Konfliktpotenzial steckt.
Schreiben zwingt zur Genauigkeit. Wenn Worte Form annehmen, entsteht Klarheit. Und Klarheit ist eine Führungsstärke, die sich positiv auf Strategie, Kommunikation und Teamprozesse auswirkt.

Schreiben als Navigationsinstrument

Wer schreibt, denkt nicht nur reflektierend rückwärts, sondern auch entwerfend vorwärts. Unternehmerisches Schreiben ist ein Akt der Zukunftsgestaltung. Es ermöglicht, Visionen präziser zu formulieren und Zukunftsszenarien durchzuspielen. Es unterstützt dabei, Risiken strukturiert zu betrachten und aus dem eigenen Erfahrungsschatz Innovationen zu entwickeln.

Schreiben öffnet Räume

Kreativität ist nicht nur etwas für Designer oder Produktentwickler. Führung braucht Kreativität, um Denkblockaden aufzulösen und gewohnte, aber überholte Wege zu verlassen. Schreiben ist eine der wirksamsten Kreativitätstechniken überhaupt, denn es verlangsamt den Denkprozess und schafft Raum für Ideen.
Es verbindet rationales Denken mit emotionalem Erleben und überrascht die Schreibenden oft mit unerwarteten Lösungsansätzen.
Gerade ungefiltertes freies Schreiben („Freewriting“) führt zu Erkenntnissen, die im hektischen Arbeitsalltag vielleicht unentdeckt geblieben wären. Mit ein wenig Übung ist es ganz unkompliziert: Einfach einen ruhigen Ort suchen, für eine bestimmte Zeit schreiben, dabei die inneren und äußeren Kritiker ignorieren und schauen, was aufs Papier fließt.

Kein Luxus sondern Führungsinstrument

Selberschreiben ist nicht nostalgisch oder romantisch. Es ist ein wirksames Werkzeug zur Selbstführung und damit zur Unternehmensführung.
In einer Zeit, in der vieles automatisiert wird, gewinnt das Authentische, Menschliche und Persönliche an Wert. Die innere Haltung, Klarheit und Kreativität, die durch Selberschreiben entsteht, kann eine KI nicht ersetzen.
Wer schreibt, führt sich. Wer sich gut führt, führt andere besser.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

Beate Fischer
Beate Fischerhttps://schreibgewandt.online/
Beate Fischer ist Expertin für maßgeschneiderte Texte und Freude am Schreiben. Als freie Lektorin, Autorin, Biografin und Schreibpädagogin weiß sie, wie wichtig es ist, Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühle in Worte zu fassen. Denn Texte können berühren, bewegen, überzeugen und stärken.
Das könnte dir auch gefallen!
- Advertisment -spot_img

WhatsApp Newsletter

NEU: Täglich die besten Karriere-Tipps & Trends – im karriere.taxi WhatsApp-Newsletter!

karriere.taxi Newsletter

Erhalte jetzt regelmäßig die besten Karriere-Tipps bequem in dein Postfach!

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Neueste Beiträge